Jens Kerbel

 

 

 

Projekt:

 

EINHEIT!

 

Projekt im Rahmen der Reihe "Bonner Republik"

 

 

 

Leitung und Ausstattung: Jens Kerbel

Musik: Lars Figge

Toncollage: Lars Figge und Jens Kerbel

Licht: Wilfried Moers

Dramaturgie: Almuth Voss

 

Mit: Stefan Preiss und Marcus Gawliczek

 

 

Premiere: Oktober 2006, Theater Bonn

 

 

ZUM STÜCK:

 

Das Projekt EINHEIT versucht einen Grenzgang zwischen Hörspiel und Theater. Aus orginal Tondokumenten versucht der Abend die Geschichte der Teilung Deutschlands zu erzählen. Verschnitten mit Texten aus Arno Schmidts "Gelehrtenrepublik" wirft die Collage einen Blick auf den Wunsch nach einer idealen Gesellschaft, die es nicht geben kann.

 

Die Gelehrtenrepublik:

Erstmals 1957 erschienen, spielt Arno Schmidts düsterer Zukunftsroman 50 Jahre nach einer atomaren Zerstörung Europas. In Tagebuchform schildert er die Reise des amerikanischen Journalisten Charles Henry Winer im Jahre 2008 durch den Hominidenstreifen von Nevada zu der im Pazifik schwimmenden, künstlichen Insel IRAS, auf der, unter ebenso gleichberechtigter wie rivalisierender Verwaltung der Russen und Amerikaner , die letzten Geistesgrößen aus Wissenschaft und Kunst Zuflucht gefunden haben. Die »International Republic for Artists and Scientists« ist jedoch nur ein neuer Schauplatz des Kalten Krieges der Supermächte. In Gestalt des engstirnigen, reaktionären Übersetzers und Herausgebers des Winerschen Tagebuchs, Ch. M. Stadion, konfrontiertArno Schmidt in zahlreichen Fußnoten die eigene Prosa mit den schmähenden Kommentaren der zeitgenössischen Kritik, die ihm Pornographie und naturalistische Detailbesessenheit vorwarf und seine Erzählungen mit dem verächtlichen Etikett »Asphaltliteratur« versah. Dadurch gerät ›Die Gelehrtenrepublik‹ auch zu einer amüsanten Parodie Schmidts seiner selbst aus der Sicht seiner Gegner. (Fischer Verlag)

 

 

 

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Aber hier dies <Goldene Buch> : und er hüstelte beklommen, als ich - ganz sinnend=unbefangen  - zu blättern begann. (<Laßdassein, laßdassein, laßdassein!> trommelten seine Finger nervös; aber ich dachte nicht daran: was mir nicht direkt verboten wird - das wird ohnedies allerhand sein! - ist erlaubt). / Und, hei, da standen allerdings Sachen drin! . die hatten nämlich die Dummheit begangen, zu dekretieren, daß jeder Bewohner oder Besucher der Insel sich zweimal eintragen mußte . bei der Ankunft die obere Hälfte seiner nummerierten Blattes; bei der Abreise die untere.

Und da hatte doch tatsächlich einer der abgehenden Künstler seinem Herzen freisamlich Luft gemacht (und der Widerspruch zwischen der ehrsam=oberen Eintragung, und dem verwilderten Untergeschmier, war zum Schreien ! Oben feurige Bejahung: »Ich freue mich ..... Ehre ..... ganze Arbeitskraft ..... Wohl der Menschheit ..... selbstlos einsetzen.« Unten, versoffen hingeritzt : »Alles Tinnef : Deine Elli"«.)

 

(Aus: Arno Schmidt "Die Gelehrtenrepublik")