Jens Kerbel

 

Jens Kerbel/Michael Barfuß

 

EUROPA-neurotisch

 

Ein Beitrag zur Bonner Theaternacht 2009

 

 

                         Foto: Thilo Beu

 

 

Inszenierung: Jens Kerbel

Musikalische Leitung: Michael Barfuß

Ausstattung: Ansgar Baradoy

Licht: Frank Bergmann

Dramaturgie: Almuth Voss

Leitung und Einstudierung Kinderchor: Ekaterina Klewitz

Musiker: Laura Bombonato, Peter Engelhardt, Markus Schinkel

 

Mit: Yorck Dippe, Volker Muthmann und dem Kinderchor der Oper Bonn

 

 

Premiere im Rahmen der Bonner Theaternacht, Mai 2009

 

 

ZUM STÜCK: 

 

Uns bleibt auch nichts erspart, so könnte man seit dem vergangenen September denken… Jetzt haben wir angesichts zahlreicher anderer Krisen auch noch eine ökonomische am Hals. Welcher Krisen? Die der europäischen Idee? Die der Menschenrechte, die an Europas Grenzen in Frage gestellt werden? Krisen wohin man schaut, dass man fast glauben möchte, der Begriff der Krise sei in einer eben solchen. Und wie ist es angesichts der Krisenflut um unsere Zukunft bestellt? Weltuntergang oder Hoffnung? Braucht es einen neuen Lebensentwurf? Fragen wir doch die, denen die Zukunft gehört - unsere Kinder.

Gemeinsam mit Schauspielern des Schauspielensembles und dem Kinderchor der Oper Bonn, versuchen Jens Kerbel und Michael Barfuß in einem musikalischen Abend, mit Liedern und Texten von Peter Licht und Stereo total, unseren Ängsten auf den Zahn zu fühlen, auf unsere Wünsche und Hoffnungen zu schauen. (Ankündigungstext Theater Bonn)

 

 

PRESSE:

 

Generalanzeiger, 11.05.2009

 

Neuer Besucherrekord bei 3. Bonner Theaternacht

 

Mehr als 2 200 Zuschauer kamen auf dem "Spielplatz Europa" auf ihre Kosten - Bis kurz vor Mitternacht spielten die 24 Theater und freien Gruppen vor voll besetzten Reihen

 

Bonn. Einmal ist keinmal, zweimal ist Tradition, sagt ein ungeschriebenes rheinisches Gesetz. Dass sehen auch die Bonner so, die aus der dritten Theaternacht am Samstag mit 2 200 verkauften Karten den größten Erfolg seit der Premiere 2007 gemacht haben. Die Tänzer von "Cocoondance" proben im Malersaal der Halle Beuel für die Premiere von "Orlando - Scrapped" am 15. Mai im Bonner Opernhaus.

 

Dazu kamen die Kurzentschlossenen, die sich auf die Schnelle noch ihr Ticket für den späteren Abend sicherten, so dass sich Generalintendant Klaus Weise und Organisatorin Susanne Schenkenberger ebenso wie die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und die Europaabgeordnete Ruth Hieronymi als Schirmherrinnen über ein ausverkauftes Haus freuen konnten.

 

Das heißt genauer gesagt über 23 davon auf dem "Spielplatz Europa", wie das Motto 2009 lautete. Insgesamt 24 Theater und freie Gruppen präsentierten Kurzprogramme und Vorschauen auf die nächste Spielzeit, und das von Beginn bis kurz vor Mitternacht vor voll besetzten Reihen, plus einiger Stehplätze.

Der abendliche Regen schreckte offensichtlich niemanden ab, allein das Straßentheater Odoroka musste improvisieren und in die Foyers von Opernhaus, Kammerspielen und Halle Beuel umziehen.

 

Das Fest in der Werkstatt eröffnete der Jugendchor von Theater Bonn mit dem Lied "Wir feiern ein Fest der Freude", Fernsehzuschauern auch als Eurovisionshymne bekannt. "Europäisch denken und singen" war ihr Auftrag, den später am Abend auch die Profis wie Ramaz Chikviladze mit Bravour erfüllten.

 

Der Bass, neu im Ensemble der Bonner Oper, war "der Marathonmann des Abends". Stand er doch vor seinem Auftritt in der Werkstatt als Osmin in Mozarts "Entführung aus dem Serail" auf der Bühne und brillierte wenig später als Basilio aus Rossinis "Barbier von Sevilla".

Zu den Neuzugängen der Bonner Theaternacht gehörte die Europäische Kommission, die in ihrer von dem Wiener Heinz-Rudolf Miko betreuten regionalen Vertretung in Bonn das Publikum sowohl mit europäischen Appetithappen bewirtete als auch mit einer originellen Video-Musik-Installation von Thomas Witzmann unter dem Titel "Küche, Diele, Bad - zwölf Wohnungen im Haus Europas" überraschte.

 

Die von dem Kölner Komponisten und Schlagzeuger live begleiteten Bilder greifen den Mythos der Europa auf und spielen mit der natürlichen Neugier beim Blick auf die Wohnungen anderer Leute. Sei es in direkter Nachbarschaft oder auch grenzüberschreitend in ganz Europa.

Ähnliches hat womöglich auch die Alfterer Alanus Hochschule im Sinn gehabt, als sie sich für ihr Debüt das im November 2008 geschlossene Hotel Beethoven aussuchte. Der zweite Stock bot Raum für Architekten, Bildhauer, Betriebswirtschaftler und Maler. Der Filmemacher und Professor für Schauspiel, René Harder, zeigte "Herr Pilipenko und der rote Teppich", während im Speisesaal auf Parterre Schauspielstudenten klassische und schräge Monologe vortrugen.

So wie Nils Daub und Judith Wilhelmy als Ruprecht und Eve aus Kleists "Zerbrochenem Krug" sowie Inga Eickmann und Richard Schnell als Lady Milford und Ferdinand aus Schillers "Kabale und Liebe". Vielleicht sieht das Publikum sie ja eines Tages als Mitglieder des Ensembles wieder.

 

Dazu gehören schon heute Volker Muthmann und Yorck Dippe, die zusammen mit dem Kinderchor in der Halle Beuel mit "Europa neurotisch" das Thema Finanzkrise aus erfrischend-sarkastischer Distanz betrachteten. Die Collage von Jens Kerbel unter musikalischer Leitung von Michael Barfuß und Ekaterina Klewitz war einer der Höhepunkte der Theaternacht. Und das nicht nur, weil - theatermäßig gesehen - Amy Winehouse dazu Geige spielte und Sergeant Pepper in türkisblau die E-Gitarre.

 

Nebenan im Alten Malersaal arbeiteten elf Tänzer noch an einer Improvisation zu "Orlando - Scrapped" von Choreografin Rafaële Giovanola, einer Produktion des freien Tanzensembles "Cocoondance", die am 15. Mai Premiere im Bonner Opernhaus feiert.

Die Vorschau mit Werkstattatmosphäre gestattete einen Blick auf eine nicht ganz gewöhnliche Tanzprobe, samt tierischer Begleitung eines Collies auf der Bühne. Die Bilanz auf dem "Spielplatz Europa" fällt positiv aus. "Die Bonner nehmen ihre Theaternacht voll an, und auch unsere Neuzugänge haben sich bewährt", sagt Susanne Schenkenberger vom Theater Bonn.

Eine Umfrage während der Abschlussparty mit der Rouzbeh Asgarian Band im Opernfoyer soll nun Aufschluss geben zu Vorlieben und Manöverkritik des Publikums. Bei der vierten Bonner Theaternacht am 29. Mai 2010 wird das berücksichtigt.

 

 

Von Ulrike Strauch


 

 

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Es ging mir gut. Ich war gesund, und ich hatte Geld. Nicht gerade unglaublich viel Geld, aber ich hatte. Ich konnte mir leisten, was ich mir leisten können wollte, und ich konnte auch mal einen Schlag drauf legen. Zwar war der Schlag so groß jetzt nicht. Aber immerhin. Ein mittelgroßer Schlag. OK sagen wir eher mal an der unteren Grenze von mittel, oder vielleicht am oberen Rand von unten, also auch nicht ganz oben am oberen Rand. Sagen wir, in einem gemessenen Abstand zu diesem oberen Rand. Oder vielleicht mit der leichten Tendenz zu "mittel". Sprich: Ich hatte mittel Geld. Mittel Geld im Bereich von "unten". Obwohl, das müsste ich nochmal genauer fassen. Die natürliche Fruchtfolge vom Geld ist ja das Auf und Ab, und die Natur meines Geldes war wohl doch nicht "mittel", sondern vielleicht einen Tacken in Richtung: Ein wenig unterhalb von mittel von unten. Das klingt jetzt ein wenig kompliziert. Um es zu vereinfachen, würde ich sagen, daß man es auch als "unten" bezeichnen könnte. Also ok, mein Geld war unten. Aber immerhin, Geld war irgendwie da. Wenn auch vielleicht eher so: das Thema Geld war irgendwie da. Also das kann ich sagen, das Thema Geld, da war ich so im Bereich voll oben. Ich könnte also sagen, ich war voll von Geld. Überall kam es mir aus den Poren. Geld Geld Geld Geld. Man könnte auch so sagen: Meine Schulden waren halt geringer geworden. Also die neuen Schulden wurden immer weniger. So könnte man vielleicht sagen. Es kam kein Minusgeld mehr hinzu, es überhäufte mich nicht, wie es mich mal überhäuft hatte. Ich war ja mal im Minusgeld geschwommen, das kann ich wirklich sagen. Geschwommen. Gekrault. Delphin. Alles. Ab einem bestimmten Punkt kommt man ja nur noch per Delphin drüber, so hepp, drüber über sein Minusgeld. Wie ein Raddampfer mit flachem Kiel. Ich möchte mal so sagen: ich lag wie ein gestrandeter Wal auf der Seenplatte meines Minusgeldes. Aber vielleicht – kann man ja ruhig sagen – vielleicht auch eher auf dem Ozean meines Geldes von unten. Vielleicht besser: Weltmeere. Also ich lag wie ein gestrandeter Wal, aber vielleicht sollte man eher vom Ozeandampfer oder Flugzeugträger sprechen, aber warum nicht gleich Ölbohrplattform?

Wobei Ölbohrplattform einen Schuß ins Beschönigende hätte. Ich würde dann vielleicht besser von einer, sagen wir mal – kost ja nix – gestrandeten Insel sprechen. Also dies wäre mein Zwischenergebnis: Ich lag wie ein gestrandeter Erdteil auf dem Weltmeer meines Minusgeldes.

 

(Aus: Peter Licht - "Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends")