Jens Kerbel

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Jonathan Dove

 

PINOCCHIOS ABENTEUER

 

Libretto von Alasdair Middleton, Deutsch von Ralf Nürnberger

  

 

 

 

 

„Meiner Meinung nach kann Oper etwas für jedermann sein — es ist doch ein Ort der Schönheit und des Staunens und der Freude und der Verzauberung." Dieser Satz von Jonathan Dove darf durchaus als künstlerisches Credo und ästhetisches Programm verstanden werden. 2002 machte er sich mit seinem Librettisten auf den Weg nach Italien, um sich im Ort Collodi auf die Spuren des Autors zu begeben und sich davon für die Oper inspirieren zu lassen.

Die Oper greift die wunderbare Geschichte von Pinocchio auf, den Meister Geppetto aus einem sprechenden Stück Holz schnitzte und der sich nichts sehnlicher wünschte, als ein richtiger Junge aus Fleisch und Blut zu werden. Doch bevor es soweit ist, bringen Neugier und kaum zu bändigende Energie den kleinen Holzkerl von einer Gefahr in die nächste, lassen ihn an die falschen Freunde Fuchs und Kater geraten, verführen ihn in ein Puppentheater, in dem er mutig den Arlecchino vor dem Feuerfresser rettet, machen ihn zum geschundenen Esel im vermeintlichen Paradies der Schulfreiheit und Faulheit und bringen ihn schließlich zu seinem ,Vater‘ ins Maul des Monsterfisches …


Jonathan Dove, geboren 1959, hat schon über ein Dutzend Opern geschrieben, seine Flughafen-Komödie ‚Flight‘ gilt als eine der wenigen wirklich erfolgreichen komischen Opern der neueren Musikgeschichte. Seine TV-Oper ,When she died‘ (,Als sie starb‘) – Prinzessin Diana, der Königin der Herzen, in seriöser Weise gewidmet – erreichte ein Millionenpublikum.

 

 

Musikalische Leitung: Carlos Vazquez

Inszenierung: Jens Kerbel

Bühne: Dirk Hofacker

Kostüme: Mathilde Grebot

Licht: Steff Flächsenhaar

Chor: Thomas Bönisch

Dramaturgie: Annabelle Köhler

 

Pinocchio: Hagar Sharvit

Geppetto: KS Paul Brady

Blaue Fee: Anna Avakian

Grille: Alexandra Scherrmann

Bauer/Zirkusdirektor/Feuerschlucker/Affenrichter: Peter Kellner

Lampwick: Philipp Kapeller

Fuchs/Kutscher: Jakob Huppmann

Kater: Nicola Amodio

Taube: Melanie Lang

Ausrufer: Alwin Kölblinger

Trommelmacher: Stephen Foster

Rosaura, eine Puppe: Anja Rabsilber

Arlecchino, eine Puppe: Sandro Monti

Pantalone, eine Puppe: Toshihiko Matsui

Kohlenhändler: Andreas Lütje

Maurer: Georgi Nikolov

1. Dorfbewohner: Sharon Starkmann

2. Dorfbewohner: Stephen Foster

3. Dorfbewohner: Daniela Köhler

 

Chor des Oldenburgischen Staatstheaters

Oldenburgisches Staatsorchester

 

Premiere am Oldenburgischen Staatstheater, 22.03.2015, Großes Haus

 

 

 

   

 

Kostümentwurf - Pinocchio

 

Kostümentwurf - Blaue Fee

 

 

 

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PRESSE:

 

Kreiszeitung, 24.03.2015

 

„Pinocchios Abenteuer“ punktet in Oldenburg mit Opulenz

 

Auf ins Spaßland

 

Von Corinna Laubach

 

Oldenburg - Der Fantasie sind bekanntlich keinerlei Grenzen gesetzt. Eindrucksvoll untermalt das jetzt das Staatstheater Oldenburg mit einer rasanten Opernversion des Kinderbuchklassikers „Pinocchio“. Die drehbare Bühne zaubert mit jeder Sequenz eine neue wundersame Welt voller fabelhafter Wesen und Szenarien für das Publikum. Jonathan Doves moderne Oper „Pinocchios Abenteuer“ ist hier Theater zum Sattsehen und -hören.


Eng halten sich Komponist Dove und Librettist Alasdair Middleton in ihrer 2007 uraufgeführten Oper an die weltberühmte Erzählung von Carlo Collodi. Im Mittelpunkt steht natürlich die kleine Holzpuppe Pinocchio (Hagar Shavit), die so gern ein echter Junge wäre. Kaum von Gepetto (Paul Brady) – ein wilder Verschnitt des Erfinders Dr. Brown aus „Zurück in die Zukunft“ – aus einem Baumstamm geschnitzt, beginnen für die schlaksige Puppe in gelbem Hemd und roter Hose die Sinnfragen des Lebens. Geht es um gut oder böse sein? Pflichterfüllung oder Freude? Schule oder Lebenslust? Pinocchio sucht den gesunden Mittelweg. Zwar ist er wissbegierig, aber eben auch mindestens genauso neugierig, lässt sich weder von vorlauten Grillen (Alexandra Scherrmann), noch weisen blauen Feen (Anna Avakian) aufhalten. Und so stolpert er von einem Abenteuer ins nächste.


Für die kleinen und großen Zuschauer (ab acht Jahre) wird Pinocchios Rundreise durch kuriose Wunderwelten nahezu zu einer Reizüberflutung an bunten Bildern: Puppentheater mit lebensgroßen Figuren, Zirkus samt Feuerschlucker und Tanzbär, das Spaßland, das von Conchita Wurst angeführt wird oder der Monsterfisch, in dessen Magen Pinocchio seinen ertrunken geglaubten Vater wiederfindet. Bühnenbau (Dirk Hofacker) und Kostümabteilung (Mathilde Grebot) toben sich in dieser prallen, bunten Inszenierung von Jens Kerbel aus. Selten hat man solch vielfältige Ideen gesehen, die insbesondere bei den Kinder im Publikum ankommen.


Die Verlockungen der Kindheit und die Erwartungen an Erwachsene, in dieser Oper gehen sie eine friedliche Koexistenz ein. Mit zahlreichen schrägen Typen, frechen Tieren und schrulligen Fabelwesen ist es auf der Bühne ebenso schillernd wie im Orchestergraben. Dove in seiner Komposition spielt mit Stilen und Klängen, das einem die Sinne rauschen. Anleihen von Strawinsky, Britten und Adams sind deutlich zu vernehmen. Souverän leitet Carlos Vázquez das Staatsorchester durch die anspruchsvolle Partitur. Das Opernensemble zeichnet sich nicht nur stimmlich, sondern auch durch große Spielfreude aus. Allen voran Hagar Sharvit, die als Pinocchio reichlich Sympathiepunkte sammelt. Großer Applaus.

 

 

 

NWZ, 24.03.2015

 

Premiere „Pinocchios Abenteuer“ im Staatstheater

 

Lange Nase durch lauter Lügen

 

Von Horst Hollmann

 

Oldenburg Mag sein, dass der Radsport-Weltverband sich nichts dabei gedacht hat, als er Pinocchio zum Maskottchen der Weltmeisterschaft 2013 in Turin erkor. Richtig gelesen: der verseuchte Sportverband, der Doping-Betrug leugnet, und die Kinderfigur, der bei jeder Lüge die Nase immer länger wächst.

 

Regisseur Jens Kerbel hat sich eine Menge gedacht, um die Oper „Pinocchios Abenteuer“ von Jonathan Dove packend und glaubhaft ins Große Haus des Staatstheaters zu stellen. Das ist kein leichtes Unterfangen, weil das Werk von 2007 eine strikt durchkomponierte große Oper von zwei und einer halben Stunde Dauer ist. Sie soll auch noch als „Familienoper“ mindestens drei Generationen ansprechen.

 

Auch Kinder zeigen dem intensiven Stück keine lange Nase. Kerbel nimmt die jüngste Garde ernst. Sie folgt höchst gebannt dem Geschehen um die von Meister Geppetto zum Leben erweckte Holzfigur, die ein wirklich menschlicher Junge werden will. Die Spannung ist so hoch, dass der Tuschelfaktor im Raum gegen Null tendiert.

Die von Dirk Hofacker entworfene Drehbühne und die Kostüme von Mathilde Grebot verbreiten nachhaltigen Zauber, der sich bei aller Buntheit nicht in verwirrenden Mätzchen verliert. Der weit geschwungene Aufsatz dient oben als Brücke in viele Richtungen, unten als Raum für Verborgenes und Geborgenes.

 

Doves Musik wirkt atmosphärisch wie Filmmusik, reicht aber weit über das Illustrieren von Geschehen und Gefühlen hinaus. Melodik und Motorik und die farbige Orchestrierung schmeicheln nicht ein, aber sie greifen tief und beglücken hoch. Kapellmeister Carlos Vázquez lässt das Staatsorchester straff und klar musizieren mit Sinn stiftenden Gewichtungen.

 

Die Regie hat Carlo Collodis ernsthafte Märchengeschichte so verdichtet, dass sie die Botschaften auf sehr direktem Wege vermittelt: Spaß allein bringt nicht das Lebensglück. Freiheit ist an Pflichten gebunden. Mensch zu werden zwischen den Lockungen der Kindheit und den Forderungen der Erwachsenen, verlangt viel Kraft.

Die Aufbereitung hat große Meriten und kleine Mängel. Manche Vereinfachung unterschätzt die kindliche Denkweise. Wünschen und Bekommen wird plakativ über Geldverdienen oder Belohnung definiert. Und ein Kind muss brav sein, wenn es im Leben etwas erreichen soll. Dass Liebe, Loyalität, Fleiß, Vertrauen und Fantasie die Maßstäbe setzen, rückt etwas zurück. Zudem bläst die Inszenierung im ersten Teil unwiderstehlich die Backen auf, aber im zweiten geht ihr etwas die Puste aus.

 

Ihre große Stärke hat sie in der pausenlos auf der Bühne präsenten und konditionsstarken Darstellerin des Pinocchio. Hagar Sharvit gestaltet voller Hingabe. Ihr Mezzo mit viel Timbre, schönem Körperklang und sauberer Führung erlaubt ihr Lebhaftigkeit und feine Nuancierung. Paul Brady (Geppetto) ist darstellerisch und sängerisch eine Institution. Anna Avakian lebt die Blaue Fee überzeugend. Philipp Kapeller (Lampwick) führt mit blumigem Tenor ein homogenes Ensemble an (darunter Alexandra Scherrmann, Peter Kellner, Jakob Huppmann, Nicola Amodio oder Melanie Lang), dazu der von Thomas Bönisch einstudierte Chor.

Kinder haben viel Sinn für Wahrhaftigkeit. Opern für sie sind derzeit in Mode. Erwachsenen kommt das sehr zugute. Siehe diesen „Pinocchio“.

 

 

 

TAZ, 24.03.2015

 

Nicht nur zur Weihnachtszeit

 

Zähmung eines Anarchisten

 

Das Staatstheater Oldenburg gibt sich mit Johnathan Doves Pinocchio Vertonung die volle Dröhnung Familien-Oper.

 

Von Jens Fischer

 

OLDENBURG taz | Geheimniszaubervoll illuminiert strahlt die picobello aufgeräumte Bühne. Herein schlendert taumelig ein alter Zausel, potz Blitz, ein steiler Akkord schreckt alle Sinne in Habtachtstellung und ein eben noch einsam vor sich hin stehender Baum beginnt zu wackeln. „Mach mich“, ruft er – als Mann des Holzes gibt sich das Männlein im Walde prompt zu erkennen, nimmt die Motorsäge in die Hände und befreit die Figur aus dem Baumstamm: Pinocchio.

 

Von der Walt-Disney-Niedlichkeit 1940 über japanische TV-Serien-Springlebendigkeit in den 1970er-Jahren hin zu Roberto-Benigni-Kasperliaden im Jahr 2002 hat sich die naseweise Gliederpuppe bisher entwickelt. In Oldenburg tobt sie in Gestalt der israelischen Mezzosopranistin Hagar Sharvit herzig pumucklig durch ihre Geschichte.

  

Ja, ist denn schon wieder Weihnachten? Denn vor allem dann kramen unsere Stadt und Staatstheater die guten alten Märchenstoffe mit dem pädagogischen Mehrwert heraus, um die erwachsenen Feinde des sogenannten Regietheaters und die kindlichen Freunde prallen Erzähltheaters mit der Spielplanoption Familienstück zu erfreuen. Den Darstellern häufig ein Graus, den kaufmännischen Direktoren ein Wohlgefallen – wegen der hohen Besucherzahlen dank blind buchender Schulklassen und in Patchworkfamilienstärke anreisender Gäste.

 

Regisseure aber bewegen sich auf unsicherem Terrain: Theateraffektmäßig die Überwältigungstaktik anwenden – oder anspielungsreich offen inszenieren, damit jeder Zuschauer seine eigne Vorstellungskraft ins Spiel einbringen kann? In Oldenburg wird eine Sowohl-als-auch-Variante praktiziert. Die Schneiderei scheint Extraschichten eingelegt zu haben für die Kostümpracht des putzigen Getiers und all der Gesellschaftssatire-Figuren. Getoppt wird das von irrwitzigen Perücken in der Design-Optik: frisch geschnitzt.

 

Die Bühne allerdings ist ein relativ offener Fantasieraum. Mit vollem komödiantischen Ernst inszeniert dort Jens Kerbel große Oper. Nicht nur 1b-Sänger wurden abkommandiert, sondern auch auf kunsthandwerklich vokaler Ebene auf beste Ensemble-Qualität geachtet.

 

Der Abend ist Ausdruck des Oldenburger Erfolgskonzeptes, die Auslastungszahlen weiter zu steigern. Intendant Christian Firmbach übererfüllt derzeit alle Erwartungen beispielsweise mit Operettenleichtsinn wie „Der Vetter aus Dingsda“, Musicalschwachsinn à la „Evita“ und bewegtem Schönsinn, dem Wandel der Tanztheater zur Ballettsparte. Da auch das Sprechtheater-Familienstück zu Weihnachten immer ausverkauft war und nicht nur im November und Dezember der theaterlustige Freizeitgestaltungswille bei Eltern existiert, müsste in dem Segment doch auch noch mehr gehen. Zum Beispiel die Familienoper zu Ostern.

 

„Pinocchios Abenteuer“, 2007 uraufgeführt, präsentiert den Klassiker italienischer Nationalliteratur lässig gereimt, narrativ eher episodenhaft gereiht denn stringent entwickelt, musikalisch aber als durchkomponiertes Werk für großes Orchester. Nicht nur Stolpern und Niesen hat der Brite Jonathan Dove vertont, sondern eine volle Dröhnung hundertjähriger Opernhistorie. Jedenfalls halten sich viele Kinder immer mal wieder die Ohren zu, wenn das Staatsorchester knackig laut mit Verve losschmettert, tuttiliert und klangfarbenprächtig den plakativen Eklektizismus klassisch gewordener Moderne feiert. Von melodisch puccinesker Eleganz über weihevolle Spätromantikfolgen bis hin zur Klangflächenmalerei der Minimal Music ist vieles dabei. Geradezu ein Kompendium dessen, was auch Kinder als Filmmusik aus hollywoodösen Superhelden-Epen kennen. Auch Dirigent Carlos Vázquez setzt vor allem auf kernig schmetternde Strahlkraft, die aber nicht nur rockt, als hochdramatisches Power-auf-Dauer-Bombardement auch nervt.

 

Wer aber ist Pinocchio? Mit der Einblendung von technischen Konstruktionszeichnungen, von Zahnradbildern und der Betonung der maschinellen Motorik beim Musizieren könnte gemeint sein: Pinocchio ist eine Art Monster des Dr. Frankenstein, der hier Geppetto heißt.

 

Zu erleben ist auf der Bühne eher das, wozu wir Eltern vor der Bühne die quirligen Kinder anhalten: Einübung in gesellschaftskonformes Verhalten. Geradezu ein Idealbeispiel bürgerlichen Repräsentationstheaters. Der Schelmen und Entwicklungsroman als Struwwelpeter-Variante: Feinschliffdrama am Rohschliffjungen.

 

Geboren wird Pinocchio als Anarchist, zügellos, eigenwillig, gutgläubig, nach dem Lustprinzip durchs Leben tobend, daher ständig neu abgelenkt. Zum unvermeidlichen Erwachsenwerden gehört nun, zu erkennen, dass von der Norm abweichendes Verhalten immer von der normativen Kraft der Erwachsenen bestraft oder von Hallodris wie dem Gangsterpärchen Katze und Fuchs ausgenutzt wird. So kann aus dem faul herumchillenden, selbstberauscht lügenden, die Schule verweigernden und ungehorsamen Lausbub ein hilfsbereiter, ehrlicher, artiger fleißiger Musterknabe werden. Als Lohn wird die Holzpuppe zum jungen Menschen aus Fleisch und Blut gewandelt. Die Inszenierung hinterfragt die Metamorphose des Stücks Natur zum zivilisierten Menschenkind eher nicht.

 

Es gelingt aber das, was wohl gelingen sollte: „Schenken sie ihrem Kind, Enkelkind, Partner, ihren Eltern oder Großeltern einen (ersten?) Schritt in die wunderbare Welt der Oper“, wirbt Dramaturgin Annabella Köhler für den Besuch. Die klassischen Tugenden dieses Genres werden daher auf werbewirksam hohem Niveau dargeboten. Endlich ist es mal wieder reizvoll zu erleben, wovon sich zeitgenössisches Musiktheater heutzutage absetzt. Und fuhr jemals eine Lügendetektornase live auf der Bühne so gekonnt ferngesteuert aus und wieder ein wie in Oldenburg?

 

 

 

   

Kostümentwurf - Puppen

 

Kostümentwurf - Zuschauer

 

 

 

Beitrag Nordwest Radio, 24.03.2015 - Transkription

 

Pinocchios Abenteuer

 

Moderatorin: Pinocchio, das ist der kleine Holzjunge mit der großen Nase, der gerne ein richtiger Junge sein möchte. Pinocchio war bereits Stoff für Filme, Bücher und Comics und die Geschichte hat auch den englischen Komponisten Jonathan Dove angesprochen. Der hat eine zeitgenössische Oper mit dem Titel ‚Pinocchios Abenteuer‘ geschrieben. Diese Oper wurde vor acht Jahren in Großbritannien uraufgeführt und ist mittlerweile an vielen Orten aufgeführt worden. So viele Aufführungen sind ungewöhnlich für eine moderne Familienoper mit sinfonischem Orchester. Gestern hatte Pinocchio am Oldenburgischen Staatstheater Premiere und unsere Kollegin Helgard Füchsel war für uns vor Ort.
Helgard, wie hat dir denn die Aufführung gefallen?

Helgard Füchsel: Mir hat es sehr gut gefallen. Es gibt unglaublich viel zu gucken in dieser Aufführung. Sehr viele fantasievolle Kostüme: Eine Fee im Blütenblätterkleid oder Neptun, der im Glitzergewand mit Krone über die Bühne schreitet.
Regisseur Jens Kerbel hat sich mit dem Bühnenbild auf Jüngere eingestellt.

O-Ton Jens Kerbel: Wir haben uns bewusst für eine sehr moderne Ästhetik entschieden, die sich ein bisschen orientiert an modernen Fantasywelten, an modernen Computerspielwelten, um in Richtung der Sehgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen heute zu gehen. Natürlich gibt es auch alte Elemente. Wir versuchen so eine Mischung hinzubekommen aus Modern und Tradition.

HF: Ja, vieles spricht auch Ältere an. Das sind Zitate von Andy Warhol. Dann ist da eine Flugmaschine, die hat etwas von Leonardo da Vinci und der Gepetto, der Vater von Pinocchio, der sieht ein bisschen so aus wie der verrückte Professor aus dem Film ‚Zurück in die Zukunft‘ - mit wirrem weißen Haar und einem sehr futuristischen Overall, ein Art Werkstattkleidung. Insgesamt ist das Ganze mit viel Liebe zum Detail gemacht und auch mit sehr viel Witz.

M: Es hört sich so an, dass man auch wirklich lachen kann, obwohl es eine Oper ist und keine Operette.

HF: Ja man kann viel lachen.

M: Das ist ja auch eine zeitgenössische Oper. Da stellt man sich vielleicht ganz schräge Musik vor. Wie kann man sich die Musik vorstellen von Pinocchio?

HF: Also die Musik ist nicht sehr schräg. Sie ist harmonisch. Die Musik ist sehr bildhaft, kann man schon fast sagen. Sie erzählt selber eigentlich schon die Geschichte von Pinocchio: Man hört die Wellen, man hört ein Gewitter und zum Beispiel, was ich sehr schön fand, die Gesangslinie der Grille. Die klingt tatsächlich wie ein Insekt und das hört sich so an:


- Ausschnitt aus Pinocchio –

Also es ist eine sehr rhythmische Musik mit sehr schnellen Stimmungswechseln, die sehr rhythmisch und intensiv ist. Sie ist auf diese Art natürlich auch sehr fordernd.

M: Und, wie du es am Anfang gesagt hast, sehr anschaulich. Man hat diese Grille tatsächlich fast vor Augen.
Pinocchio ist ja ein kleiner Junge. In der Aufführung wird aber natürlich die Rolle nicht von einem kleinen Jungen gesungen, sondern von einer jungen Frau dargestellt.

HF: Ja, das ist Hagar Sharvit. Das ist eine Mezzosopranistin aus Israel und ich habe sie mal gefragt, ob ihre Rolle sportlich ist.

Hagar Sharvit: Ich laufe und springe und auch die musikalische Linie ist so virtuos und es ist immer aktiv und immer voll Energie und sehr rhythmisch, sehr verrückt. Ja, ich muss immer 100 Prozent geben.

HF: Und das tut sie tatsächlich. Sie gibt zweieinhalb Stunden alles, sie wird über die Bühne geschleift, sie rennt und dabei lächelt sie auch noch. Es muss eine unglaubliche sportliche Leistung sein, wenn man bei der Anstrengung auch noch den ganzen Saal mit der Stimme beschallen kann. Hagar Sharvit ist eigentlich ständig auf der Bühne und sie hat als Pinocchio dann auch die Sympathien des Publikums. Sie selbst wirkt sympathisch und die Figur ist natürlich auch ein Sympathieträger.

M: Man nimmt ihr den Jungen auch ab, oder?

HF: Ja, den nimmt man ihr ab.

M: Ist das eigentlich eher ein Stück für Kinder oder lohnt es sich auch als Erwachsener reinzugehen?

HF: Es ist auf jeden Fall ein Stück für Kinder und Erwachsene. Es ist sehr anspruchsvoll, aber gleichzeitig können Kinder es auch verstehen. Also das Stück geht inklusive Pause fast drei Stunden und es waren sehr viele Kinder im Publikum und es war einfach wirklich still. Es war keine Unruhe im Raum und ich würde sagen, es ist für alle die Oper mögen ab acht Jahren.

M: Danke für den Tipp.
Helgard Füchsel war für uns gestern bei der Premiere von ‚Pinocchios Abenteuer‘ am Oldenburgischen Staatstheater. Es wird in dieser Spielzeit noch sieben weitere Vorstellungen der Familienoper geben und die nächste findet am 28. März statt.
Danke Helgard und tschüss.