Jens Kerbel

FOTOGALERIE

 

 

 

Szenische Lesung:

 

Elfriede Jelinek

 

DIE KLAVIERSPIELERIN

 

 

Foto: Thilo Beu

 

 

 

Hauptfigur des Romans ist Erika Kohut, Ende dreißig und Klavierprofessorin am Wiener Konservatorium. Sie lebt mit ihrer Mutter zusammen, die ihre Tochter als Besitz betrachtet und ein System totaler Überwachung aufgebaut hat. Ihre Frustration über die gescheiterte Pianistenkarriere Erikas fördert eine Atmosphäre des Terrors. Erika reagiert vordergründig mit Anpassung und gibt die erlittenen Demütigungen an ihre Klavierschüler weiter. Mit Rasierklingen und Nadeln fügt sie sich selbst Verletzungen zu.
Als der junge Walter Klemmerer, einer ihrer Meisterschüler, das Abschirmsystem der Mutter durchbricht und Erika Avancen macht, reagiert sie zunächst mit abweisendem und erniedrigendem Verhalten. Nachdem sich Klemmerer dadurch nicht abschrecken lässt, fordert sie ihn in einem Brief detailliert zu einem sadistischen Sexualverhalten ihr gegenüber auf. Um die eigene Position zu sichern, will Erika ihre Unterwerfung, die ihr in einer sexuellen Beziehung zu einem Mann unumgänglich erscheint, selbst inszenieren. Durch die Vorgabe der Regeln würde sie so zum eigentlich dominanten Teil des Paares. Allerdings hofft Erika auch darauf, dass sich Klemmerer aus Liebe ihren Forderungen verweigern wird. Klemmerer reagiert mit Unverständnis und Abscheu und wendet sich angewidert von ihr ab. Als es dennoch zu einer sexuellen Begegnung kommt, versagt Klemmerer und sein Abscheu steigert sich zum Hass. Er schlägt Erika zusammen und lässt sie nach einer Vergewaltigung mit lapidaren guten Ratschlägen zurück.
Zwischen Mord- und Versöhnungsabsichten schwankend, sucht Erika Klemmerer auf. Als sie aus der Ferne seine unbeschwerte Fröhlichkeit beobachtet, sticht sie sich selbst mit einem Messer in die Schulter und geht blutend nach Hause zurück.

 

Der Roman Die Klavierspielerin von Elfriede Jelinek, der nach Angaben der Autorin autobiografische Züge trägt, führt mit seiner Protagonistin eine Frau vor, die ihren Objektstatus so weit verinnerlicht hat, dass sie keinen Zugang zu ihrer Individualität finden kann. Damit verschließt sich ihr auch der Zugang zur eigenen Lust; sie wird zur Voyeurin.
Jelinek entlarvt das bürgerliche Familienleben als Kampfplatz und zwischenmenschliche Beziehungen als zerstörerisches Ringen um Macht. Der Roman ist geprägt durch eine radikale satirische Darstellung. Durch mit Sprachfloskeln durchsetzte stakkatoartige Sprachlawinen bildet die Autorin ihren unverwechselbaren, zynisch brutalen Stil aus. Das Werk ist charakteristisch für die vorrangig feministische Schaffensphase von Jelinek. (Harenberg Verlag)

 

 

Szenische Einrichtung: Jens Kerbel

Musikalische Leitung: Michael Barfuß

Ausstattung: Katharina Piriwe

Licht: Lothar Krüger

Textfassung: Verena Bukal, Anke Zillich

 

Mit: Verena Bukal, Anke Zillich, Michael Barfuß

 

Premiere: April 2005, Theater Bonn

 

 

 

 

Anmerkung: Der Abend wurde von uns als eine Mischform aus szenischer Lesung und Liederabend gestaltet. Den Text ergänzende, wie auch im Roman genannte Musikstücke wurden integriert.

 

 

 

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"Gefrorne Tropfen fallen
Von meinen Wangen ab:
Ob es mir denn entgangen,
Daß ich geweinet hab' ?

Ei Tränen, meine Tränen,
Und seid ihr gar so lau,
Daß ihr erstarrt zu Eise
Wie kühler Morgentau ?

Und dringt doch aus der Quelle
Der Brust so glühend heiß,
Als wolltet ihr zerschmelzen
Des ganzen Winters Eis !"

 

(Franz Schubert, Winterreise. Text: Wilhelm Müller)