Jens Kerbel

 

 

 

Projekt:

 

OPERA MINIMALE

 

Eine Installation zum Kosten- /Nutzenfaktor des Theaters

 

von Jens Kerbel

 

 

 Foto: Lilian Szokody

 

 

Idee und szenische Einrichtung: Jens Kerbel

Ausstattung: Carla Friedrich

Klavier und musikalische Einstudierung: Luigi Di Bella

 

Mit: Anja Barker, Grazyna Briel, Gerda Rundel, Gudrun Schröder (Sopran), Roswitha Auding-Scheer, Maria Joosten, Barbara Lützig, Barbara Schröder (Alt), Helmut Clemens, Alexander Deisling, Rodrigo Gutierrez, Thorsten Klein (Tenor), Hans-Peter Derkum, Johannes Gsänger, Ulrich Köhler, Guido Scheer (Bass) und Harry Schnause

 

 

Installation im Rahmen des Auftaktfestes von Theater Bonn, am 2.10.2011

 

 

 

 

 

Anmerkung: Die Installation "Opera Minimale" wurde als Oper für einen Zuschauer konzipiert. Hierzu wurde ein Transportcontainer, der gewöhnlich zum Transport von Bühnenbildelementen dient, zu einem Miniaturopernhaus umgebaut. So gab es in diesem Opernhaus lediglich einen Sitzplatz, in der einzigen vorhandenen Sitzreihe (Reihe 1, Platz 1), an der Garderobe im Foyer befand sich ein Garderobenhaken mit dem Garderobenmärkchen Nr. 1, an der Bar erhielt der Zuschauer ein Glas Sekt und ein Programmheft. Für den Zuschauer sangen Mitglieder des Extrachores, in Doppelquartett-Besetzung, bekannte Opernstücke.

Die "Opera Minimale" ist als ein parodistischer Kommentar zur allgemeinen Kulturdebatte zu verstehen und kommentierte im Speziellen auch die kulturpolitische Situation in der Stadt Bonn. So sollte die Frage aufgeworfen werden, ob Kunst rentabel sein kann oder überhaubt sein sollte, ob nicht, seitens der Theater und der Zuschauer, eine Oposition zu den Optimierungs- und Rentabilisierungs-Forderungen der Politik eingenommen werden sollte. Im Grußwort, welches ich als Intendant der "Opera Minimale" verfasste, nahm ich zudem Bezug auf die Debatte um das für Bonn geforderte Festspielhaus und das von der Stadt vernachlässigte, marode Operngebäude.

 

 

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Programm zur Eröffnung der "Opera Minimale":

 

Friedrich Smetana: Verkaufte Braut „Chor der Landleute“

  

Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte „Der Hölle Rache“

  

Richard Wagner: Lohengrin „Brautchor“

 

Richard Wagner: Lohengrin „Gralserzählung“

 

Giuseppe Verdi: Troubadour „Zigeunerchor“

 

Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte „ O zittre nicht“

 

Giuseppe Verdi: Nabucco „Gefangenenchor“

  

Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg „Ehrt eure deutschen Meister“

 

 

 

Grußwort des Intendanten:

 

Lieber Zuschauer,

 

ich möchte zunächst die Gelegenheit nutzen, Sie herzlich in unserem wunderschönen Opernneubau zu begrüßen. In Zeiten knapper Kassen, in denen der Rotstift allerorten angesetzt wird, ist es ein positives Signal, dass diese Stadt, entgegen dem allgemeinen Trend, den Entschluss gefasst hat, seinem Bürger ein neues Opernhaus zu schenken. Bonn braucht, nicht zuletzt im Hinblick auf seine bedeutende musikalische Vergangenheit, einen solchen Ort.

Nun ist es an uns, den Theatermachern, unseren Teil zum Erhalt der Kultur beizutragen. Dabei gilt es, den Kosten- und Nutzenfaktor des Theaters zu überprüfen und Maßnahmen zur grundlegenden Optimierung zu ergreifen. Die Ensembles minimieren, die Spielpläne banalisieren um die Gewinnspanne zu optimieren, dies ist die, von der Politik zu Recht geforderte, Divise. Das Theater von seiner gesellschaftlichen und sozialen Aufgabe zu entbinden, um die Umstrukturierung zu einem modernen Unterhaltungsbetrieb zu unternehmen, ist die Aufgabe der Zukunft.

 

Ich wünsche Ihnen, lieber Zuschauer, einen unterhaltsamen Theaterabend.

 

Herzlichst, Ihr

 

Jens Kerbel

(Intendant der Opera Minimale)

 

 

 

Foto: Lilian Szokody

 

 

PRESSE:

 

Generalanzeiger, 3.10.2011

 

Ein Tag an der Oper

 

Bonn. Wie lässt sich ein Betriebsdirektor binnen drei Minuten in eine barocke Diva verwandeln? Gibt es Opernaufführungen für nur einen Zuschauer, und warum lieben gerade Schauspielerinnen Tschechows Stücke? Fragen über Fragen, die am Sonntag beim Theaterfest rund ums Bonner Opernhaus beantwortet wurden. Und wer sich als Gast von auswärts auch ein paar Stunden Zeit für die Kulturlandschaft am Rhein nahm, brauchte diese Entscheidung mitnichten zu bereuen.

 

Beim Theaterfest am Sonntag inspizierten die Bonner und ihre Gäste das künstlerische und technische Angebot und bekamen einen Vorgeschmack bis Juni 2012. Foto: Barbara Frommann

Für die Bonner fast schon ein Muss jedes Theaterfestes ist die Spielplanshow in der Werkstatt; diesmal moderiert von Ingo Piess. Das rund einstündige literarisch-musikalische Programm mit Anastasia Gubareva, Birger Frehse, Nico Link, Stefan Preiss und Falilou Seck sowie Andre Spang (Musik) gab einen Vorgeschmack auf die Premieren der kommenden Monate.

 

Dazu gehört unter anderem auch Tschechows "Kirschgarten", der vom 1. Juni 2012 an in den Godesberger Kammerspielen zu sehen sein wird. Und dem insbesondere der weibliche Teil des Bonner Ensembles entgegenfiebern dürfte, weil der russische Schriftsteller und Bühnenautor seinerzeit ein "echter Frauenversteher" gewesen sei, wie das Team der Spielplanshow verriet.

Einen weiteren Theaterbesuch dürfte auch "Der große Gatsby" nach dem Roman von F. Scott Fitzgerald und in der Bühnenfassung von Lothar Kittstein wert sein. Premiere ist am 2. Dezember in der Halle Beuel. Zur Einstimmung gab es jetzt schon mal das Duett "Something Stupid", mit lasziven und ironischen Untertönen von Gubareva und Seck.

 

Gleich nebenan, vor den Türen der Werkstatt, hatte Regisseur Jens Kerbel einen Container, in dem normalerweise Bühnenbilder transportiert werden, kurzerhand zur "Opera Minimale" umfunktioniert. Das Rezept: Jeweils acht Sängerinnen und Sänger aus dem Opern-Extrachor, ein Stuhl und ein Glas Sekt für das geneigte Publikum.

Auf dem Programm stehen Auszüge in Text und Musik; zum Beispiel aus Wagners "Meistersinger von Nürnberg" oder dem Gefangenenchor aus Verdis "Nabucco". Die Botschaft: So sieht es eines Tages aus, wenn die Zuschüsse für das Theater immer drastischer zusammengekürzt werden. Und der individuelle Eindruck? "Man fühlt sich wie eine Königin da drin." So jedenfalls brachte es eine junge Zuschauerin nach der gut fünfminütigen Vorstellung auf den Punkt.

 

Währenddessen kamen die Theater-Mitarbeiter bei der Kostümversteigerung auf dem Opernvorplatz gehörig ins Schwitzen. Womöglich lag es an den hochsommerlichen Temperaturen, dass lange Roben und Anzüge aus Samt anfangs keine hohen Gebote erzielten. Das allerdings änderte sich spätestens mit so manch altem Schätzchen, eines sogar noch aus dem Jahr 1966.

Wohingegen die Zuschauer im Opernhaus bei der Technikshow mit Christian Firmbach ganz bequem vom Sessel aus die Ausstattung ihres Opernhauses vom Schnürboden bis zum Orchestergraben inspizierten. Auch so etwas schweißt zusammen. Publikum und Ensemble gleichermaßen.

 

Von Ulrike Strauch

 

 

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Verachtet mir die Meister nicht
und ehrt mir ihre Kunst!
Was ihnen hoch zum Lobe spricht,
fiel reichlich Euch zur Gunst!
Nicht Euren Ahnen, noch so wert,
nicht Eurem Wappen, Speer noch Schwert,
     daß Ihr ein Dichter seid,
     ein Meister Euch gefreit,
dem dankt Ihr heut Eu'r höchstes Glück.

 

(Aus: Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg)